“Unser Planet erlebt eine globale Wasserkrise. Der Bedarf nach Wasser wird in den nächsten 15 Jahren um 55% ansteigen. An diesem Punkt werden die weltweiten Wasserressourcen lediglich 60% des globalen Bedarfes abdecken und die Wasserkrise könnte im Jahr 2075 mehr als 7 Milliarden Menschen betreffen.
Europa ist davon nicht ausgenommen. Wassermangel und Dürre wachsen auch in Europa und werden in den kommenden Jahren zu einem wachsenden Problem werden. Der Klimawandel beeinflusst sogar Wasservorräte in Deutschland, vor allem im Osten des Landes. Der Mangel von Wasser in vielen Teilen der Welt trug zur Europäischen Migrationskrise bei und wird in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich mehrere Millionen Menschen pro Jahr zur Flucht bewegen. Es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem wir Wasser als selbstverständlich betrachten können.
Die ökologische Wasserkrise beeinflusst die menschliche Wasserkrise. Mehr als 1.000 Kinder sterben immer noch jeden Tag an dreckigem Wasser. Es sterben mehr Kinder aufgrund von wasserinduzierten Krankheiten als durch alle Formen der Gewalt zusammen, inklusive Krieg. Aber der Mangel an Wasser existiert längst nicht mehr nur im globalen Süden. Viele Tausend Menschen in Europa haben ihren Wasserzugang abgeschnitten bekommen und Tausende in den Vereinigten Staaten haben kein fließend Wasser in ihren Häusern, weil sie sich die Preise nicht leisten können.
Im Jahr 2010 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen formell den Zugang zu Wasser und sanitäre Grundversorgung zum Menschenrecht erklärt und alle Regierungen für verantwortlich erklärt, ihren Bürgerinnen und Bürgern sauberes Wasser zur Verfügung zu stellen. Es gibt einen wachsenden Konsens, dass wenn wir die schwindenden Wasserreserven des Planeten erhalten und sauberes Wasser für alle zur Verfügung stellen wollen, wir das Wasser als Allmende und öffentliches Gut verteidigen müssen.
Wasser ist entscheidend für unser Überleben und muss allen Mitgliedern der Gemeinschaft zugänglich sein. Wenn die Entscheidung über den Zugang zu Wasser in die Hände privater Interessensträger fällt, verzerrt das Motiv des Profits seine gerechte Verteilung. Unter der Public Trust Doctrine erhalten die Rechte der Gemeinschaft und das Interesse der Öffentlichkeit Vorrang vor dem privaten Gebrauch von Wasser. Wasser wird als Gemeingut von Regierungen verwaltet und verteilt, damit alle in seinen Genuss kommen können, auch zukünftige Generationen.
Es gibt jedoch viele, die Wasser zu einer Handelsware machen und von ihm profitieren wollen. Der Trend zum abgefüllten Wasser wächst weltweit. Im Jahr 2020 wird die Industrie 300 Mrd. Euro im Jahr Umsatz machen und 465 Mrd. Liter Wasser verkaufen, hauptsächlich aus Plastikflaschen. Wo es wenig Zugang zu Wasser aus dem Hahn gibt, ist der Rückgriff auf Flaschenwasser verständlich. Doch in Nordamerika und Europa, wo Wasser direkt aus dem Hahn für die allermeisten zugänglich ist, gibt es eine Bewegung, die den Verkauf von Wasserflaschen auf Universitätscampus und in Rathäusern untersagen will.
Einige Gemeinden vertrauen noch immer auf private Anbieter für ihre Wasserdienstleistungen. Aber nach vielen Problemen geht der Trend nun wieder zurück zu einem öffentlichen Management. Seit 2000 haben mehr als 235 Gemeinden, darunter Paris und natürlich Berlin, ihre Wasserdienste rekommunalisiert. Dieser Trend ist inzwischen in 37 Ländern angekommen und betrifft mehr als 100 Millionen Menschen. Einige dieser Städte wurden zu Blue Communities.
Eine Blue Community übernimmt eine Rahmenvereinbarung für Wasser als Gemeingut, indem sie:
1) Wasser und sanitäre Grundversorgung als Menschenrecht anerkennt.
2) Öffentlich finanzierte und verwaltete Wasser- und Abwasserdienste unterstützt.
3) Wasser aus dem Hahn gegenüber Flaschenwasser fördert und die Nutzung von Wasserflaschen in Einrichtungen der Gemeinde und bei ihren Veranstaltung einschränkt.
Die gewählten Vertreterinnen und Vertreter debattieren und übernehmen diese Selbstverpflichtungen und die Gemeinde wird in ihre Umsetzung einbezogen. Dieses Projekt startete in Kanada, wo inzwischen 19 Städte Blue Communities geworden sind, darunter Thunder Bay und Victoria. Sowohl Montreal als auch Toronto diskutieren es aktuell. Und sie breitet sich aus: Bern und Paris sind nun Blue Communities und mehrere Universitäten in der ganzen Welt sind als Vereinigung dem Projekt beigetreten. Einige wasserreiche Dörfer in Brasilien sind Blue Communities geworden, da private Interessenten drohten, ihr Mineralwassererbe aufzukaufen. 2016 wurde auch der Weltkirchenrat, der 500 Millionen Christinnen und Christen auf der ganzen Welt vertritt, eine Blue Community.
Warum Blue Community werden?
Der Kampf um die gefährdeten Wasserreserven der Erde verschärft sich. Anstatt Rückzugsgefechte anzutreten, ziehen viele Leute, Städte und Gemeinden es vor, eine proaktive Haltung einzunehmen und ihr Wasser als ein Gemeingut zu verteidigen.
Eine Blue Community kann als Verteidigung dienen gegen Preistreiberei, die einige in eine Lage versetzten, es sich nicht mehr leisten zu können. Sie kann sicherstellen, dass alle Einwohnerinnen und Einwohner den gleichen Zugang zu sicherem, reinem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung erhalten.
Eine Blue Community kann Wassersparen, Aufbereitung, Wiedernutzung und Grundwassersicherung fördern in einer Form, wie private Unternehmen es nicht tun.
Eine Blue Community ist stolz, für Wasser als Menschenrecht einzutreten und setzt sich für das Recht indigener Gemeinschaften auf ihr Wasser aktiv ein.
Schließlich kann eine Blue Community auch dabei helfen, die negativen Folgen einiger Handelsabkommen wie CETA und TTIP abzuwehren. Obwohl Deutschland sowohl Trinkwasser als auch Abwasser aus CETA herausgenommen hat, gibt es noch immer Hintertüren, durch die private Wasserunternehmen in öffentliche Dienste eingreifen können. Eine dieser Einfallstüren liegt bei Gemeinden, die aktuell eine Public Private Partnership haben, aber nach CETA ihr Wasser voll rekommunalisieren wollen. In diesem Fall können sie vor dem Internationalen Investment-Gerichten angeklagt werden. Ein weiteres Beispiel ist gegeben, wenn eine Gemeinde erklärt, in Zukunft nur noch öffentliches Management zuzulassen. Ein solcher Beschluss könnte als Handelshindernis interpretiert werden und rechtliche Schritte nach sich ziehen. Diese Vorschrift von CETA ist noch nicht in Kraft getreten, daher ist nun der Zeitpunkt, an dem die Entscheidung zu einer Blue Community getroffen werden muss! Es ist darüber hinaus entscheidend, dass Ihre Wasserbetriebe autonom sind für den Fall, dass separate Handelsbeziehungen zu ihren Energiepartnern bestehen.
Die Welt steht vor einer Wasserkrise von angsteinflößender Größe. Und die Probleme, die wir in wasserreichen, entwickelten Ländern wie Kanada und Deutschland für weit entfernt hielten, stehen nun vor der Tür.
Jede und jeder von uns hat die Verantwortung, aktiv zu werden, um kollektiv die Machtstrukturen angreifen, die den Wandel blockieren, um Wasser als Erbe unseres Planeten zu verteidigen und wertzuschätzen. Zukünftige Generationen haben dasselbe Recht, reine Luft zu atmen und sauberes Wasser zu trinken. Vieles hängt davon ab, wie wir jetzt handeln.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!”
Die Veranstaltung mit dem Titel “Jeder Tropfen zählt – Stadt für Stadt, Kommune für Kommune…” fand im Bernhard Letterhaus-Saal des Berliner Abgeordnetenhauses auf Einladung der Abgeordneten Daniel Buchholz (SPD), Silke Gebel (Bündnis 90/Die Grünen) und Marion Platta (Die Linke) auf Initiative von Dorothea Härlin (Berliner Wassertisch) als erste gemeinsame Veranstaltung der Berliner Regierungsfraktionen statt. Die Moderation übernahm das ehemalige Mitglied des Abgeordnetenhauses Heidi Kosche. Neben Jens Feddern, dem Leiter Wasserversorgung der Berliner Wasserbetriebe, waren auch Vertreterinnen und Vertreter anderer wasseraffiner Institutionen sowie zahlreiche zivilgesellschaftliche Akteure anwesend.
Ein Kurzbericht in englischer Sprache findet man auf der Seite des Youth Network for River Action, sowie mit freundlicher Genehmigung auch als Beitrag auf dieser Seite im Wasserblog.